Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete? 

(Lk 24, 32)  

So geht es mir oft: Erst im Rückblick erkenne ich, was das bedeutet, was ich erlebte. Und so geht es den beiden auch, die sich das fra gen: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete? Es sind Freunde von Jesus, noch geschockt von den letzten Tagen: Sie sahen, wie er gekreuzigt wurde, voll Angst versteckten sie sich. Und dann, am Morgen des dritten Tages, der nächste Schock: Die Frauen aus der Jüngerschar reden von Auf erstehung! Nichts wie weg, alles hinter sich lassen, das ist ihr Gedanke. So laufen sie weg. Und können doch die Gedanken nicht lösen. Sie reden von „all diesen Geschichte“, wie es heißt. Wie in einer Dauerschleife gefangen, so, wie es jede kennt, die etwas sehr schlimmes erlebte. Und irgendwie ist dann noch einer da. Es ist Jesus. Aber sie erkennen ihn nicht, zu stark sind sie in ih ren inneren Bildern gefangen, den Bildern vom toten Jesus. Mit Tunnelblick laufen sie durch die Landschaft, fühlen sich gott verlassen und enttäuscht. Jesus fragt sie:“ Wovon redet ihr da?“ Da bleiben sie stehen, steigen aus dem inneren Strudel aus. Und sie beginnen zu erzählen. So ordnen sich auch für sie selber die furchtbaren Erlebnisse, kriegen eine Anfang und ein Ende. Ohne solches Erzählen kann ich schlecht verar beiten, was ich erlebte. Jesus hört zu. Und dann ordnet er, als der Außenstehende, für den sie ihn halten, ein, was sie erzählten. Er bezieht sich auf etwas, was sie kennen, auf die Geschichten ihres Glaubens. Das löst ihre Fixierung auf das Grauen, ihr Blick weitet sich. Sie sehen Zusammenhänge, wo ihre Welt in Scherben zerfi el und sie bislang nur verwirrt, entsetzt, enttäuscht und todt raurig waren. Und ihr Begleiter wird wichtig für sie: „Bleib bei uns“, bitten sie. Manchmal fehlt uns die Kraft, jemanden so zu bitten, wenn wir eigentlich Begleitung brauchten. Gut, wenn dann jemand einfach so zu uns kommt, wie Jesus zu den beiden. Sie la den ihn zum Abendessen ein. Und dann geschieht es: Jetzt, als er für sie das Brot teilt, jetzt erkennen sie ihn. Obwohl Jesus ihnen im gleichen Moment entschwindet, löst sich ihr Gefühl der Gottverlassenheit. Und sie erkennen: Eigentlich spürten wir es auch schon unterwegs, unser Herz brannte in uns, als er mit uns redete. Im Rückblick erkenne ich: Gott war schon da, als ich mich elend fühlte, als kein Gedanke an Trost, an Antwort in mir aufkam. Jetzt, im Rückblick, sehe ich, wie Gott mit mir ging. Die beiden damals fanden die Kraft, wieder zu dem Ort zurückzugehen, wo sie alles erinnerte. Sie müssen vor dem Schrecken nicht mehr weglaufen. „Gott überwindet den Abgrund des Todes!“, so erzählen sie danach. Was geschah, das bleibt schlimm. Aber sie sind auf dem Weg der Trauer weitergegangen und fanden einen neuen Anfang. Auch das ist Ostern für mich: Hilfe fi nden und bestärkt werden, die Schritte zu gehen, die so schwer fallen. Und die doch gegangen werden müssen. Gott geht mit, Christus ist auferstanden, damit wir Hoff nung haben. Nehmt diesen Gedanken mit in die Passions- und Osterzeit. Schenken wir einander Nähe und Geduld, dass Schweres verarbei tet werde kann und neue Schritte möglich werden. Gesegnete Ostern uns allen!  

Ihre Anne-Christina Wegner


Was mich bewegt

Man muss den Dingen die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt, und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann; alles ist austragen – und dann Gebären… Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch! Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos still und weit … Man muss Geduld haben, gegen das Ungelöste im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antwort hinein. (R.M. Rilke)

 

Mit diesem Gedicht legen wir Ihnen eine Andacht für zu Hause ans Herz : Die Passionszeit und das Osterfest dient der Besinnung auf die Fragen nach Hingabe, nach Leiden, nach dem Weg, alles in das eigene Leben zu integrieren. Rilke spricht davon und er verweist auf die Geduld, wie es auch die Bibel tut. Versuchen Sie, jeden Wochentag auf einem ruhigen Platz 5 Minuten eine Andacht zu feiern. Es kann Ihnen die Kraft geben, die Sie brauchen, um Ihr Leben mit allem anzunehmen.

 

Zünden Sie bitte eine Kerze an. Sprechen Sie innerlich oder laut:

Im Namen des dreieinigen Gottes - Amen.

Gott. Ich bin hier. Und du bist hier. Ich bete zu dir. Und weiß: ich bin verbunden. Mit Dir. Mit anderen, die zu Dir beten. Dafür danke ich Dir. Amen.

 

Schließen Sie eine kleine Meditationsphase an: Sitzen Sie ruhig und aufrecht. Lassen Sie die Hände ruhen. Die Augen sind nur ein wenig geöffnet oder aber geschlossen. Atmen Sie bewusst und ruhig ein und aus. Der Atem geht ganz von selbst und soll so gehen, wie er gehen will. Sprechen Sie dabei innerlich immer wieder einen Satz aus unserer Tradition.

Zum Beispiel: Gott, danke! / Du bist da, ich bin da! / Herr, erbarme Dich! / ... Versuchen Sie, einige Minuten so konzentriert zu atmen. Wenn Ihnen das nicht gelingen sollte, geben Sie nicht gleich auf. Auch das Misslingen gehört zum Leben. Haben Sie Ge duld. Vertrauen Sie darauf, dass Gott mit Ihnen ist, Sie umfängt, trägt und hält. Nach einiger Zeit öffnen Sie bewußt die Augen.

 

Schließen Sie mit einem Gebet:

Du Kraft, die mich ins Leben rief: ich danke dir für diesen Tag. Gib mir die Energie für die Aufgaben, die mir gestellt sind. Gib mir Liebe zu denen, die mir begegnen. Lass mich erfahren, dass du mir nahe bist in allem, was geschieht. So segne mich und alle, die Du mir schickst. Amen.

 

Löschen Sie das Licht der Kerze wieder aus und gehen Sie gestärkt Ihren Weg weiter. Ihre Anne-Christina Wegner